Erlebnis Beleggeburt

Mit einer Beleghebamme zur Bilderbuch-Geburt

Aus dem bullletin 2003/3, Start ins Leben von Sonja Hoffmann, Wattenwil, CH.

Bei der Geburt unseres ersten Kindes, eines Mädchens, hatte ich ziemliches Pech mit der Hebamme. Sie und ich hatten keinen Draht zueinander. Dass ich dann unser Mädchen doch noch spontan gebären konnte, verdankte ich der zweiten Hebamme, die nach zwölf Stunden die Schicht übernahm.
Nach diesem Erlebnis wollte ich bei einer zweiten Geburt selber entscheiden können, mit welcher Hebamme ich ein Kind zur Welt bringen würde. Die Chemie musste stimmen und man musste sich schon vorher kennen. Denn ein Kind zur Welt bringen ist Schwerstarbeit und die Gebärende und die Hebamme sind ein Team, das so eng zusammenarbeitet, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nirgendwo sonst erlebt habe.

Die Beleghebamme (Marlis Koch) übernahm auch die regelmässigen Untersuchungen während der Schwangerschaft. Nur zu den Ultraschalluntersuchungen ging ich zu meinem Gynäkologen. So lernten wir uns immer besser kennen. Wir redeten darüber, wie wir uns die Geburt vorstellten, was bei der ersten Geburt nicht gut war etc. Die Betreuung war optimal, ich fühlte mich bei ihr aufgehoben und gut versorgt.
Mein Mann und ich wurden von ihr darauf aufmerksam gemacht, was es heisst, nach der Geburt wieder ins eigene Heim zurückzukehren. Für Wöchnerinnen gilt striktes Arbeitsverbot, also keine Wäsche machen, nicht putzen und kochen wollen, dafür war mein Mann (oder eine andere Tag und Nacht anwesende Betreuungsperson) zuständig. Ich musste mir klar machen, dass ich dann nur für mich und das Baby da war, um es zu stillen, um mich zu erholen, um Kräfte zu tanken für die Zeit, wenn ich dann wieder alleine war, fortan mit zwei Kindern, dazu noch einem eigenen Geschäft.

Nach der Geburt konnten wir natürlich nur nachhause gehen, wenn wir beide, Mutter und Kind, wohlauf waren. Bei irgendwelchen Unsicherheiten müssten wir im Spital bleiben, bis alles in Ordnung wäre. Danach kommt während zehn Tagen täglich die Hebamme für etwa zwei Stunden zu Besuch. Wenn Fragen auftauchen ausserhalb dieser zwei Stunden, ist die Hebamme Tag und Nacht (auf dem Handy) erreichbar. Ich erlebte eine Bilderbuch-Geburt mit meiner Hebamme. Es war wirklich gut, dass sie mich schon so genau kannte, sie konnte mir immer genau das Richtige sagen, also motivieren, wenn Motivation angesagt war, trösten, wenn ich Trost nötig hatte. Unser Sohn kam knappe fünf Stunden nach dem Spitaleintritt zur Welt, genau richtig für mich, nicht zu schnell, nicht zu langsam...

Vier Stunden nach dem er das Licht der Welt erblickt hatte, durften wir nach Hause.
Es war einfach wunderschön. Unsere Tochter hatten wir bei ihrer Gotte (Patentante) untergebracht und sie durfte dort bleiben bis zum nächsten Tag. Mein Mann und ich genossen den Rest des Tages mit unserem neuen Baby sehr. Es war ein seltsames und beruhigendes Gefühl, wieder ins eigene Bett steigen zu können, gleich nach dem sich unser Leben zum zweiten Mal so vollständig umgekrempelt hatte. Abends kam die Hebamme nochmals vorbei, um zu schauen, ob alles in Ordnung sei.
Wir waren müde und erschöpft, aber glücklich. Es war einfach herrlich.

Die Hebamme kam in der ersten Woche täglich. Sie untersuchte und pflegte unseren Sohn und dann mich. Sie machte mir täglich eine Bauchmassage, etwas Rückbildungsgymnastik, wir sprachen über dies und jenes, und am Ende blieb meist noch etwas Zeit, um mich mit einer Rücken- oder Fussreflexzonenmassage zu verwöhnen. Und als ich am dritten Tag nach der Geburt den Babyblues hatte, konnte ich mich bei ihr ausweinen.

In der zweiten Woche kam die Hebamme nur noch jeden zweiten Tag, so waren dann aber schlussendlich gute 14 Tage abgedeckt durch ihre Betreuung. Bei ihrem letzten Besuch besprachen wir nochmals die Geburt. Darauf hiess es Abschied nehmen. Es war gar nicht so einfach, sich nun definitiv Adieu zu sagen! Für eine weitere Entbindung finde ich die ambulante Geburt optimal.

Fairerweise muss ich eingestehen, dass ich mich beim ersten Kind nicht darauf eingelassen hätte. Ich war unerfahren und froh, dass man mir im Spital auch die Säuglingspflege zeigte. Die Betreuung im Wochenbett durch eine Hebamme, die nach Hause kommt, ist viel intensiver, persönlicher und luxuriöser. Im Spital sieht es in der Praxis so aus, dass die Schwestern kaum Zeit haben für ein persönliches Wort. Ausserdem kann beim wechselnden Personal nie diese Vertrauensbasis entstehen, dass man auch ganz persönliche Fragen oder Probleme erörtern kann.


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